Aussendung des Zentralrats: Neufassung der Richtlinie der deutschen Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat sich gemeinsam mit den jüdischen Verbänden in Deutschland und in Polen dafür eingesetzt, dass es für die wenigen noch lebenden Menschen, die in Ghettos während der NS-Herrschaft arbeiten mussten, noch eine Entschädigung geben soll.
Das Bundeskabinett hat dazu am 14. Juni 2017 die Neufassung der Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war (Anerkennungsrichtlinie) beschlossen.
- Die Neufassung der Richtlinie begründet im § 1 Ziffer 1 einen Anspruch auf eine einmalige Leistung für Personen, „die sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs lag, und während dieser Zeit ohne Zwang in einem beschäftigungsähnlichen Verhältnis gearbeitet haben“, wenn sie „für diese Arbeit keine Leistung aus den Mitteln der Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘ erhalten haben oder hätten erhalten können“. Die einmalige Leistung besteht nach § 2 Ziffer 1 aus einer Kapitalzahlung in Höhe von 2.000 Euro.
- Nach § 2 Ziffer 2 besteht zudem die Möglichkeit einen Antrag auf einen einmaligen Rentenersatzzuschlag in Höhe von 1.500 Euro zu stellen, wenn ein „Verfolgter, bei dem die Voraussetzungen des § 1 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vorliegen, nur deshalb keinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung [hat], weil die allgemeine Wartezeit nach § 50 Absatz 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch nicht erfüllt ist“.
Zu weiteren Fragen verweisen wir auf die Informationen zur Anerkennungsleistung für Ghettoarbeit und Rentenersatzzuschlag auf der Webseite des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen: www.badv.bund.de
Über die Anträge auf Einmalzahlungen entscheidet die Arbeitsgruppe Anerkennungsleistung für Ghettoarbeit (AG AfG). Sämtliche Anträge sind mit Hilfe der hierfür vorgesehenen Formulare an das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in 11055 Berlin zu richten.
Formulare:1. Antragsformular für die Anerkennungsleistung Ghettoarbeit (DE, EN, RU)2. Antragsformular für einen einmaligen Rentenersatzzuschlag (DE, EN, RU)3. Neufassung der Anerkennungsrichtlinie
(Text: Aussendung des Zentralrats)
Ghetto-Rentengesetz: Ein Lehrstück in deutscher Bürokratie
„Nach dem (bisherigen) Ghetto-Rentengesetz müssen die Menschen, die Anspruch erheben wollen, 60 Beitragsmonate nachweisen. Das ist für Kinder, die im Ghetto gearbeitet haben, schlicht unmöglich. Kein Ghetto hat so lange bestanden überhaupt“, sagt Herbert Heuß, wissenschaftlicher Leiter des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland. Zwar kann (bisher) für die Differenz in Ausnahmefällen mit sogenannten Ersatzzeiten aufgefüllt werden. Doch wer nach dem Ghetto nicht mehr sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, kann das nicht – und das ist auch der Grund, warum Sinti und Roma, die eher selbstständig arbeiten, und Frauen besonders betroffen sind. Allein 800 heute hochbetagte deutsche Sinti und Roma, die als Kinder in osteuropäische Ghettos deportiert wurden und die Vernichtungslager überlebten, sind so (bisher) von Rentenzahlungen ausgeschlossen, schätzt Heuß. Betroffen sind auch zigtausende jüdische Ghetto-Überlebende und Roma aus Polen. (…)
(Auszug aus: Ghetto-Rentengesetz: Ein Lehrstück in deutscher Bürokratie, Deutschlandfunk 27.1.2017)