Vor 75 Jahren, Anfang März 1943, wurde das Zwangslager für die Sinti und Roma nahe des heutigen S-Bahnhofes Raoul-Wallenberg-Straße offiziell aufgelöst. Für die meisten Internierten bedeutete das den Abtransport in das Vernichtungslager Auschwitz.
Daran erinnern zehn Gedenktafeln am heutigen Otto-Rosenberg-Platz nahe dem Übergang zum S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße. Diese zeigen Opfer der Verfolgung unter den Sinti und Roma während der Nazi-Zeit. Dokumente weisen auch auf die menschenunwürdige Behandlung hin, welche die Verfolgten an dem Platz erlitten.
Wann genau der Abtransport begann, ist nicht bekannt. Es wird jedoch von Historikern in einen Zusammenhang gebracht mit dem sogenannten Auschwitz-Erlass des Reichsführers SS Heinrich Himmler vom 1. März 1943. Danach waren alle „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft“ nach den jeweiligen Richtlinien auszuwählen und in einer Aktion von wenigen Wochen Dauer in ein Konzentrationslager einzuweisen. Als Vernichtungsstätte wurde das KZ Auschwitz-Birkenau festgelegt.
Der bereits mit der Machtergreifung der Nazis in Angriff genommene Vernichtungsfeldzug gegen die Sinti und Roma erreichte damit seinen grausamen Höhepunkt. Pläne des Berliner Wohlfahrtsamtes und der Polizei, alle Berliner „Zigeuner“ an einem Platz „zusammenzuziehen“, gab es bereits seit 1934. Sie wurden im Zuge der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele umgesetzt. Die Reichshauptstadt sollte mit deren Beginn im Sommer 1936 „zigeunerfrei“ gemacht werden.
Standort des sogenannten Rastplatzes Marzahn waren Mitte Juli 1936 Rieselfelder, die zum Gut Falkenberg gehörten. Diese befanden sich nördlich des Parkfriedhofes Marzahn. Nach einer Pressemitteilung aus der Zeit waren es insgesamt rund 600 Sinti und Roma aus Berlin und Umgebung, die hier zunächst leben mussten. Sie wurden in Wohnwagen notdürftig untergebracht, wurden von der Polizei bewacht und durften das Lager nur mit polizeilicher Erlaubnis verlassen.
Neben Hunger und schlimmsten hygienischen Zuständen mussten die Menschen unter Drangsalierungen leiden und wurden von Rasseforschern untersucht. Die meisten Männer wurden bereits 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Insgesamt durchliefen das Zwangslager Marzahn rund 1200 Sinti und Roma, von denen nur wenige die Naziherrschaft überlebten.
Einer der wenigen Überlebenden war Otto Rosenberg (1927-2001). Als Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg setzte er sich nachhaltig für die Erinnerung an das Leiden in Marzahn ein. An der historischen Stätte wurden 2007 eine Straße und ein Platz nach ihm benannt. Die Gedenktafeln wurden im Dezember 2011 auf Anregung seiner Tochter Petra aufgestellt, der gegenwärtigen Vorsitzenden des Landesverbandes der Sinti und Roma.
Quelle: Berliner Woche