Fünf Wochen hatten Balkanflüchtlinge in Regensburg eine Kirchenunterkunft besetzt. Am Ende holte das Bistum die Polizei und ließ räumen.
Umfangreiche Berichterstattung über die Aktion
Flüchtlinge besetzen Regensburger Dom und dürfen vorerst bleiben
MÜNCHEN taz | Die kleine Straße zum Regensburger Pfarrheim St. Emmeram war am Montagabend von beiden Seiten durch Polizei abgeriegelt. Die 16 noch in dem Haus verbliebenen Flüchtlinge kamen ohne Anwendung von Gewalt heraus – aber dennoch nicht freiwillig.
Seit fünf Wochen hatten anfangs bis zu 50 Flüchtlinge aus dem Westbalkan den Schutz der katholischen Kirche gesucht. Zuerst hatten sie den Regensburger Dom besetzt und waren dort eine Woche untergebracht, danach im Pfarrheim. Teilweise waren es Roma-Familien, sie wollten ihren bevorstehenden Abschiebungen entgehen.Anzeigehttps://cdn-a.yieldlove.com/taz/passback.html?ad_zone=artikel_medrec-1
Doch Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis, da sie „unerfüllbare Positionen“ aufgestellt hatten, sagt Bistumssprecher Johann Schötz der taz. Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat kritisiert die Kirche scharf: „Das Bistum öffnete nicht den Flüchtlingen, sondern der Polizei die Türen, damit diese mit dem Problem aufräumt.“
Die Betroffenen kommen aus Mazedonien, Albanien und dem Kosovo – Länder, die die Bundesregierung als „sichere Herkunftsstaaten“ einstuft und deren Flüchtlinge abgeschoben werden sollen. In Bayern wurden für Balkanflüchtlinge eigens „Rückführungszentren“ in Manching und Bamberg eingerichtet. Kritiker nennen sie Abschiebelager. „Dort herrscht eine 08/15-Entscheidungspraxis“, kritisiert Dünnwald vom Flüchtlingsrat. Der Einzelfall werde nicht betrachtet.
Bistumssprecher Schötz beteuert: „Wir sind an unsere Grenzen gestoßen.“ Für die Forderung nach einem Aufenthaltsrecht sei die Kirche nicht zuständig. Auch seien die Flüchtlinge von einer Roma-Unterstützergruppe aus Hamburg benutzt worden. Deren Sprecher sei „wie ein Agitator“ aufgetreten. Eltern hätten ihre Kinder instrumentalisiert. So habe ein Vater gedroht, sich und seine 14-jährige Tochter anzuzünden und zu verbrennen.
Blutrache und Bedrohung durch Mafia
Laut Bistum hätten „ständig jede Menge Leute“ mit den Flüchtlingen verhandelt. Es habe auch unabhängige Vermittler gegeben. In einer elfköpfigen Runde sei es zu zwei je vierstündigen Gesprächen gekommen. Stephan Dünnwald vom Flüchtlingsrat meint hingegen: „Ein sehr fähiger Caritas-Flüchtlingsberater aus Regensburg hatte begonnen, sich die Fälle einzeln anzuschauen.“ Er sei aber „von der Leitung gestoppt“ worden. Gerade bei Roma würden Recherchen immer wieder ergeben, dass sie in der Heimat wegen Blutrache oder durch Mafia-Leute mit dem Tod bedroht seien.
Zuletzt griff die Kirche zu rigiden Maßnahmen: Am Wochenende stellte sie Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Dann verbot sie, dass Nahrung und Getränke zu den Flüchtlingen gebracht werden. Sie könnten das Pfarrheim verlassen und draußen etwas essen – würden aber nicht wieder reingelassen. Dann kam die Polizei. Dünnwald sagt, dass die Familien zu diesem Zeitpunkt sogar die freiwillige Ausreise akzeptiert hatten, ihnen das aber verwehrt wurde.
Jetzt wird zwei Vätern der Prozess gemacht, um sie in Abschiebehaft zu bringen. Die Familien wurden teils in Abschiebezentren, teils in ihre Unterkünfte in Hamburg, Berlin und in die Nähe von Ulm zurückgebracht.
Quelle: taz