Kommentar:

„Unglaublich Antiziganismus in der taz.BITTE die taz anrufen und beschweren!!!Habe eben die Redaktion schon angerufen. Die Pfeife von Author kriegt jetzt einen Anruf von der Redaktion mich zurückzurufen. WAS IHR JETZT MACHEN MUSST !!!!! Anrufen bei der taz und 030 – 25 9020 die Chefredakteurin verlangen dann bekommt ihr einen Anrufbeantworter und dort könnt ihr dann einfach draufpöbeln das das Antiziganismus ist und es nicht in Ordnung ist das man Zigeuner sagt. In Ungarn wissen die es nicht besser.“

Marko D. Knudsen

Der Artikel, darunter mein Brief an die Chefredakteurin

Wer „Sinti und Roma“ sagt, glaubt, es richtig zu machen. Man kann aber auch „Zigeuner“ sagen. Solange man nicht ein fahrendes Volk mit dunklen Augen meint.

Stellen Sie sich vor, sie bestellen ein „Romaschnitzel“ oder „Ethnoschnitzel“ statt eines „Zigeunerschnitzels“. Klingt komisch, ist es aber nicht. So steht es in ungarischen Speisekarten. Die Ordnung politisch korrekter Begriffe hat ihre Fallstricke, und die Leute werden immer unsicherer, wie sie Angehörige dieser Ethnie nennen sollen. Ist es wirklich ein Zeichen von Aufklärung, die Begriffe Sinti und Roma zu verwenden? Nur weil „Zigeuner“ als eindeutiges Schimpfwort gilt?

Für mich ist die Antwort eindeutig: Ich bin Zigeuner. Und ich bin nicht damit einverstanden, dass der Begriff „Zigeuner“ ein mit Klischees und Vorurteilen belastetes Schimpf- und Schmähwort ist. Und gleichzeitig finde ich es schwierig, dass einige meiner Bekannten mich nicht „Zigeuner“ nennen. Mit dem Gebrauch politisch korrekter Begriffe stellt sich nicht unmittelbar Respekt ein. Und die alltägliche Diskriminierung wird nicht dadurch geringer, dass man die Bezeichnungen „Sinti“ und „Roma“ benutzt.

Das ungarische „Cigány“ (Zigeuner) ist nur ein Wort. Es sagt nichts über das Verhältnis zu Vertretern dieser Volksgruppe aus. Ein Großteil der Ungarn weiß sowieso kaum etwas über mein Volk und hat wenig persönliche Erfahrungen mit uns. „Du hast blaue Augen, du bist kein Zigeuner!“, sagte zum Beispiel ein Mädchen in Deutschland zu mir, und sie war sehr erstaunt, dass ich darauf beharrte, einer zu sein. Dabei hatte sie sich auch noch geirrt: Die Farbe meiner Augen ist grün.

Diese Episode ist wieder einmal ein Beweis dafür, dass die Leute es nur schwer akzeptieren können, wenn jemand nicht ihren Vorurteilen und Klischees entspricht. Viele können nicht glauben, dass Zigeuner Schriftsteller, Ärzte, Ingenieure oder Journalisten sind – so wie ich. Arbeitslosigkeit, Armut, Ausgrenzung – Zigeuner haben weitaus massivere Probleme als die Bezeichnung ihrer Zugehörigkeit.

„Weil ich ein Zigeuner bin“

GEDÖNS-TAZ

Gedöns ist Umwelt, ist, was wir essen, wie wir reden, uns kleiden. Wie wir wohnen, lernen, lieben, arbeiten. Kinder sind Gedöns, Homos, Ausländer, Alte. Tiere sowieso. Alles also jenseits der „harten Themen“. Die taz macht drei Wochen Gedöns, jeden Tag vier Seiten. Am Kiosk, eKiosk oder direkt im Probe-Abo. Und der Höhepunkt folgt dann am 25. April: der große Gedöns-Kongress in Berlin, das taz.lab 2015.

Wenn jemand mich fragt: „Du arbeitest, du hast studiert, warum nennst du dich Zigeuner?“ Dann antworte ich: „Weil ich ein Zigeuner bin, genauso wie diejenigen, die keine Arbeit haben und nicht studieren konnten.“

Die Kluft zwischen Europas größter Minderheit und den Mehrheitgesellschaften wird immer größer, weil Letzteren Erfahrungen und die Neugierde fehlen, sich uns zu öffnen. In Ungarn bin ich mit vielen Akademikern befreundet, die darauf bestehen, „Cigány“ genannt zu werden. Auch sie wissen mit den Begriffen „Sinti“ und „Roma“ nichts anzufangen. Aber nicht nur sie. Meine Eltern sagen immer: „Das Wort Roma ist scheinheilig. Wir sind Zigeuner. Wir haben uns niemals Roma genannt. Und dieses Wort ist so gut oder so schlecht, wie man uns behandelt.“

Erst langsam entwickelt sich bei uns Zigeunern ein ethnisches Bewusstsein. Und das ist wichtig. Genauso wichtig ist es aber, die großen Probleme zu lösen. Vor allem in Osteuropa gibt es immer noch viele Zigeunersiedlungen, in denen Menschen an den Rändern der Städte ohne fließendes Wasser und Strom leben müssen. Und es gibt Vorschläge, wie der vom ungarischen Kulturminister Zoltan Balog, die Zigeunerkinder in den Schulen von anderen getrennt unterrichten zu lassen.

DER AUTOR

ist derzeit Praktikant der gedöns.taz und Stipendiat der Robert-Bosch-Stiftung als „Medienmittler zwischen den Völkern“.

In Deutschland liegt der Fall anders. Hier ist das Wort Zigeuner vor allem durch die NS-Herrschaft diskreditiert. Die Hüter einer diskriminierungsfreien Terminologie meinen, ihre „Sinti“ und „Roma“ vor jedweder Beleidigung schützen zu müssen. Aber auch ich lebe seit über 30 Jahren in einem Staat voller Vorurteile gegenüber Zigeunern: in Ungarn. Dort ist die rechtsradikale Partei Jobbik landesweit zweitstärkste Kraft und wird von Tag zu Tag populärer.

Und trotzdem: Meine Herkunft ist meine Privatsache. Ich bin glücklich und stolz, ein echter Zigeuner zu sein – wie es in dem Lied des spanischen Flamenco-Sängers Cameron de la Isla „Soy gitano“ heißt. Aber ich bin gleichzeitig auch Ungar und Europäer. Und jetzt – ich hoffe, dass das kein Kannibalismus ist – esse ich ein Zigeunerschnitzel.

Brief an die Chefredakteurin: Sie hat nie geantwortet.

Offener Brief an die Chefredakteurin der taz, Frau Pohl – Betreffend: Antiziganismus in der taz

Sehr geehrte Frau Pohl,

da Sie mich nicht zurückgerufen haben, erfolgt hier nun ein offener Brief, der von der taz veröffentlichte Artikel „Ich, Zigeuner“, ist nicht diskurslos hinzunehmen, da Sie mit diesem Autor und seinen Texten suggerieren, als wenn es nun doch wieder mehrheitsfähige Argumente gäbe, die einen Gebrauch des Wortes „Zigeuner“ zulassen. Dieses ist falsch. Vielmehr werden hier Birnen mit Äpfel verglichen.

Die Bürgerrechtsbewegung von fast vierzig  Jahren und ein Jahrzehnt Antiziganismusforschung in Deutschland werden durch diesen Artikel  konterkariert, die alle den Begriff Zigeuner als strafrechtliche Beleidigung ansehen.

Schon vor über dreißig Jahren gründeten sich der Zentralrat der deutschen Sinti und Roma und die Roma und Cinti Union und nicht der Zentralrat der Zigeuner oder die Zigeuner Union.

Der Antiziganismus ist klar an den Begriff Zigeuner gebunden und von ihm genährt. Seit dem Auftauchen des Osmanischen Reiches in Europa über die europaweite Entmenschlichung und Vernichtung während der NS-Zeit und im Deutschen Reich, wo kriminalprävention im Sinne der Nazis 500.000 Menschen ihr Leben lassen müssten, weil sie als Zigeuner klassifiziert worden sind. Mit dem feinen Unterschied, dass der Antiziganismus sich als europäischer Kulturkodes etabliert hat, von Generation zu Generation unhinterfragt weitergegeben wird, der Antisemitismus hingegen erfasst  und als menschenfeindlich verdammt wird. 

Im speziellen Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Ungarn, mit solchen Aussagen Hausieren zu gehen, ist unverantwortlich, ohne eine kritische Gegenstimme zu Wort kommen zu lassen.

Ungarn, die dortige Situation und die Entwicklung in den letzten 20 Jahren sind mir sehr gute bekannt. Meine Ehefrau kommt aus dem selben Dorf wie Tibor Racz.

Sie werden kaum Politiker der Roma, nicht Musiker oder Literaten finden, die sich als Zigeuner bezeichnen. Sie zu finden, ist aber möglich, denn auf dem Weg zur höheren Schule ist es überall so, im Ungarn extremer, dass im Laufe der Schullaufbahn entweder ein Aktivist gedeiht der sich outet, oder einer outet sich nicht und nimmt die Ansichten der Mehrheitsgesellschaft über die „Zigeuner“ an. Natürlich gibt es auch die, die schon durch ihr indisches Aussehen geoutet sind, diese müssen die Besten Antiziganisten sein um als der Gute „Zigeuner“ in den Reihen der Mehrheitsgesellschaft zu stehen und geduldet zu werden.

Es sieht aus, als wenn ein Ziganist in ihrer Redaktion wohlwollen am Gedanken fand, dass Zigeuner, Zigeuner sind und keine Roma. Keiner sagt mehr Neger, auch wenn es sicher noch Menschen gibt, die sich Nigger nennen. Die Mehrheit der afroamerikanischen Einwohner in den USA emfindet es natürlich als beleidigend und herablassend. Machen sie nicht denselben Fehler, sich hinter einigen zu verstecken, wenn sie Meisten beleidigen.

Das Problem des Antiziganismus in unserer Gesellschaft liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Denn in jedem stecken antiziganistische Vorurteile, diese gilt es aufzuklären und anschließend zu als das zu verdammen, was ich sind. Sie sind diskriminierend. So Plakativ es klingt, der weiterhin als halb politisch korrekt geltend will, sollte den Begriff Zigeuner als Teil des Antiziganismus begreifen und muss im korrekten menschlichen Umgang den Begriff verdammen.  

Der Antiziganismus in Ungarn hat beängstigende Ausmaße erreicht. Nach der Mordserie an Roma 2011 erreicht das Ausmaß des Antiziganismus fasst das Niveau der Nationalsoziallisten. Es wird nur noch von „kriminellen Zigeunern“ gesprochen und geschrieben. Sie sind zum Sündenbock der unzufriedenen ungarischen Gesellschaft geworden und werden immer schlimmer ausgegrenzt und systematisch verfolgt wie in keinem anderen Land der EU. Besonders erschreckend ist das, weil Ungarn bis zur Machtübernahme der Rechtskonservativen Fidez und der Rechtsnationalen Jobbik, als Modellprojekt und Paradebeispiel von Roma-Inklusion und -Integration galt. Dies war das Ergebnis der jahrzehntelangen Förderung der EU und George Soros‘ mit seinem Open Society Fund.

Hier hat mich die taz, deren langjähriger Leser ich bin, stark und zutiefst enttäuscht. Es liegt an Ihnen, ob Sie zur Befriedung aller Mitbürger beitragen und zur Handreichung oder nur der Befriedigung herablassender Mehrheitsgesellschafter dienen, die sich begrifflich abgrenzend über historisch und aktuell verfolgte Ethnien erhöhen.

Marko D. Knudsen

Vorsitzender

Europäisches Zentrum für Antiziganismusforschung