“Csak a Szél“ („Just the Wind“)

Original Artikel

PRESSE ERKLÄRUNG

Europäisches Zentrum für Antiziganismusforschung und Bekämpfung e.V.Hamburg 21.02.2012

Sehr geehrte Damen und Herren, guten Tag, nehmen Sie sich bitte ein paar Minuten Zeit für ein paar Worte zum antiziganistischen Skandal auf den 62. Internationalen .Filmfestspielen in Berlin.Besten Dank!Die Glaubwürdigkeit der Berlinale als Menschenrechts- und politische Veranstaltung steht auf dem Spiel.Nach all den Mahnungen zur Situation in China und dortigen Menschenrechtsverletzungen verschließen die Verantwortlichen der Berlinale ihre Augen vor Antiziganismus, der auf der Berlinale stattfindet. Es drängt sich die Frage auf, ob es den Machern wirklich um Menschenrechte geht oder lediglich darum, China anzuprangern.In Europa – speziell in Deutschland und Ungarn, in Staaten der EU, fürchten Menschen um ihr Leben, weil sie einer ethnischen Minderheit angehören; die Geschichte wiederholt sich und Deutschland, Täter von damals, sieht weg.Bis dato unkommentiert aber toleriert bleibt die Flugblatt-Aktion des ungarischen Justizministeriums, in dem die ungeheuerliche Behauptung aufgestellt wurde, die Roma-Morde von 2008-2009 in Ungarn wären nur „Fiktion“ gewesen; eine massive Beleidigung der tragischen Opfer dieser rassistischen Hinrichtungen.Die Aktion lief während der offiziellen Berlinale-Presse-Konferenz zum Wettbewerbsfilm “Csak a Szél“ (“Just the Wind”), einem Dokumentarfilm, der diese Morde behandelt, und den Silberenen „Bären“ erhalten hat.Es zeigt, wie virulent und akzeptiert antiziganistische Vorurteile verbreitet sind. Dass ein Film, welcher den Amnesty International Film-Preis (21.02.2012) gewinnt, nicht vor zweifelhaften politischen Aktionen geschützt wird auf einem Festival, das sich derlei sonst strikt verbittet, ist auch dann nicht nachvollziehbar, wenn Antiziganismus und Rassismus stillschweigend Tür und Tor geöffnet sind.Aktuell werden in Ungarn Roma zu „kriminellen“ und „problematischen“ Unmenschen stilisiert, wird in Ekel erregender Weise Volksverhetzung betrieben. Tausende Roma flüchten nach Kanada; selbst die ehemalige Europaparlaments-Abgeordnete Viktoria Mohacsi hat Ungarn verlassen. Durch die Straßen marodieren Bürgerwehren, die Assoziationen an die SA hervorrufen, Roma werden schikaniert und misshandelt sowie zum Problem der ungarischen Gesellschaft aufgebaut. Die Macher und Verantwortlichen der Berlinale müssen sich von dem Vorgehen des ungarischen Justizministeriums distanzieren, es öffentlich rügen, eine Entschuldigung deszuständigen Ministeriums fordern, denn: es geht um die Glaubwürdigkeit der Berlinale!Den Opfern der rassistischen Roma-Morde muss offiziell kondoliert werden. Eine Entschuldigung ist die Berlinale den Opfern schuldig – besonders hinsichtlich der historischen deutschen Verantwortung. Auch den deutschen Roma und Sinti gegenüber.Am 23.02.2012 wird der Mordopfer in Ungarn gedacht: vor Botschaften und Konsulaten in aller Welt.In Ungarn gehen in 80 Städten Roma auf die Straße. In Deutschland wird die zentrale Veranstaltung vor der ungarischen Botschaft in Berlin stattfinden (Ein angemessenes Signal wäre, Macher und Verantwortliche der Berlinale nähmen teil und riefen zur Teilnahme auf.). Weitere Veranstaltungen in Deutschland werden in Hamburg und Nürnberg vor den Konsulaten stattfinden.Achtet die Berlinale lediglich auf Menschrechtsverletzungen in China und verschließt ihre Augen vor dem Rassismus in Europa? Diese Frage muss von den Verantwortlichen beantwortet werden.Die Situation in Ungarn erinnert stark an Deutschland im Jahr 1936 und darf in einem Europa der Werte und Menschenrechte keinesfalls hingenommen werden.Während der Antisemitismus inzwischen eine vergleichsweise breite Aufarbeitung in Wissenschaft und Medien gefunden hat, ist Gleiches über Vorurteile gegenüber Sinti und Roma nicht festzustellen. Antiziganistische Ressentiments werden so gut wie ungefiltert öffentlich geäußert; Sanktionen sind nicht zu befürchten.Bis heute kämpfen Roma und Sinti um Akzeptanz in der so genannten Mehrheitsbevölkerung, kämpfen um ihre Bürger- und Menschenrechte in Europa. Durch den Nationalsozialismus starben nach aktuellen Angaben des Washingtoner Holocaust Museums europaweit zwischen 600.000 und 1,5 Millionen Roma. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde den überlebenden deutschen Roma und Sinti die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik verweigert; bis heute haben die wenigsten HolcaustÜberlebenden Entschädigungen erhalten.Das Unrecht an Roma und Sinti wurde nie aufgearbeitet, im Gegenteil: bis heute leben Roma und Sinti, 12-15 Millionen Menschen, an und unter dem Existenzminimum – als die Armen und Parias Europas.Kurzdarstellung EZAF:EZAF ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die das Ziel verfolgt, antiziganistische Denk- und Vorgehensweisen in Ländern, in denen Angehörige des Sinti- und Roma-Volkes leben, mit den Mitteln wissenschaftlicher Analytik systematisch zu untersuchen. Forschungsergebnisse werden informativ in den jeweiligen öffentlichen Diskurs mit der Intention eingespielt, den Zivilisierungsprozess der Gesellschaft voran zu bringen.EZAF arbeitet europaweit mit (universitären und außeruniversitären) wissenschaftlichen Institutionen und gesellschaftlichen Organisationen zusammen, in der Absicht, Projekte zu initiieren, welche die antidiskriminierende Wahrnehmung der so genannten Mehrheitsgesellschaft gegenüber Sinti und Roma kenntlich machen.Gefördert werden darüber hinaus politische Initiativen, die aktiv daran mitwirken, die kulturelle Eigenart des Roma- und Sinti-Volkes einerseits zu stützen und andererseits den gesellschaftlichen Integrationsprozess positiv zu begleiten.Ziel von EZAF ist es auch, Verständnis dafür zu wecken, dass Minderheiten in einer Gesellschaft keine existentielle Bedrohung, sondern eine kulturelle Bereicherung darstellen können.Hintergrund zum Berlinale Skandal: http://pusztaranger.wordpress.com/…/seltsame…/Hintergrund

Informationen zum Europäisches Zentrum für Antiziganismusforschung und Bekämpfung e.V. (EZAF): www.EZAF.org Marko D. Knudsen, Vorsitzender EZAF

Antwort der Berlinale:

Sehr geehrter Herr Knudsen,selbstverständlich hatte die Berlinale keinerlei Kenntnis von der Flugblatt-Aktion und hat sie in keiner Weise ermöglicht oder unterstützt. Dies war auch schon in der Presse zu lesen (siehe z.B. http://www.3sat.de/page/… )Erst als bei der Pressekonferenz das Filmteam auf ein Flugblatt angesprochen wurde, wurden die Pamphlete bemerkt. Anhand der Kameraaufzeichnungen wurde versucht zu ermitteln, welche Personen die Verteilung vorgenommen hatten. Leider ermöglichten die Aufzeichnungen keine Identifikation. Wir haben vorsorglich die Vertreter von Magyar Filmunió, die vor Ort waren, darauf hingewiesen, dass die Verteilung von solchem Material vom Festival nicht toleriert wird.Auf Wunsch des Filmteams haben wir den Vorgang am 16.2. nicht weiter öffentlich verfolgt. Festivaldirektor Dieter Kosslick hat jedoch den Protest des Festivals gegen diese Aktion nochmals schriftlich gegenüber Magyar Filmunió bekräftigt.Mit freundlichen Grüßen,Frauke Greiner_____________________________________________

Frauke GreinerLeitung Presseabteilung / Pressesprecherin Internationale Filmfestspiele Berlin Potsdamer Str. 510785 BerlinTel.: +49.30.259 20.777Fax: +49.30.259 20.799greiner@berlinale.dewww.berlinale.de