Pressekonferenz Roma-Protest {10 Bilder} Erstellt am 23. Mai 2016
Berlin, Deutschland – 23.05.2016
Angemessen nach dem Raeumung des Denkmals für die im Nationalsozialismus geführten Sinti & Roma im Berliner-Regierungsviertel. Einige der in der Nacht von der Polizei geraeumten Sinti & Roma geben eine PK. Sie widerrachen Medienberichten, gehören sie ihren Bleiberechtprotest am Denkmal Gehalten und haften, dass dass sie von dem naechtlichen Polizeieinsatz gehört wurden. Auch Uwe Neumaerker, der Direktor der Stiftung Denkmal für die politischen Juden Juden, sowie der Politiker Fabio Reinhardt (MdA Berlin, Piraten) und Ulla Jelpke (MdB, Linke) kamen zur Verfügung vor dem Mahnmal. Trotz kritischer Beziehungen umarmten die Roma Stefan Asanovski und Isen Asanovski den Stiftungsdirektor Uwe Neumaerker und baten ihn um weitere Hilfe. Einige Polizeikräfte standen am Rand der Rechte, wurden um ein erneutes Recht des Denkmals durch die protestierenden Roma zugegeben.
Pressekonferenz nach der Räumung des Denkmals für die Opfer des Nationalsozialismus der Sinti und Roma im Berliner Regierungsbezirk. Einige Roma und Sinti, die wenige Stunden zuvor von der Polizei aus dem Denkmal geworfen wurden, halten eine Pressekonferenz ab. Sie widersprachen Medienberichten, dass sie ihren Protest für das Recht, freiwillig zu bleiben, beenden und berichten, dass einige von ihnen während des nächtlichen Polizeieinsatzes verletzt wurden. Auch Uwe Neumaerker, der Direktor des Stiftungsdenkmals für die ermordeten Juden Europas, sowie die Die Politiker Fabio Reinhardt (Piratenpartei) und Ulla Jelpke (Linkspartei) nehmen an der neuen Konferenz teil. Trotz kritischer Diskussionen umarmten die Roma Stefan Asanovski und Isen Asanovski den Stiftungsdirektor Uwe Neumaerker und baten ihn um weitere Hilfe. Einige Polizeikräfte standen am Rande der Pressekonferenz, offenbar um zu verhindern, dass die protestierenden Roma das Denkmal wieder betreten.

Berlin: Massiver Polizeieinsatz gegen RomaIn der Nacht von Sonntag auf Montag ging eine Hundertschaft der Berliner Polizei brutal gegen Roma-Familien vor, die an der Gedenkstätte für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas gegen ihre drohende Abschiebung protestierten.Polizei vertreibt protestierende RomaDie Initiative „Romano Jekipe Ano Hamburg“, in der zahlreiche Roma- und Sintigruppen bundesweit zusammenarbeiten, fordert in ihrem Kundgebungsaufruf „eine Revision der Asylrechtsverschärfung, bedingungsloses Bleiberecht in Deutschland und gesellschaftliche Teilhabe“. Das historische Versprechen, Sinti und Roma zu integrieren, müsse mehr als 70 Jahre nach der Ermordung von bis zu 500.000 Angehörigen der Minderheit endlich Realität werden, sagte Stefan Asanovski von der Vereinigung Romano Jekipe Ano Hamburg.Die rund 80 Roma aus Norddeutschland, darunter viele Frauen und Kinder, hatten sich auf dem Gelände des Mahnmals gegenüber dem Reichstagsgebäude niedergelassen, um auf die zunehmenden Abschiebungen von Roma in ihre angeblich sicheren Herkunftsländer auf dem Balkan aufmerksam zu machen. Viele unter ihnen hatten in den vergangenen Wochen ihren Abschiebebescheid erhalten.Gegen Mitternacht ließ die Berliner Polizeibehörde jedoch, nach Absprache mit Bundestagspräsident Lammert (CDU) und dem Direktor des Holocaust-Denkmals Neumärker, die Wiese am Denkmal räumen es gab Verletzungen und Festnahmen.Zur Begründung hieß es, ein Protest an der erst 2012 eröffneten Gedenkstätte in unmittelbarer Nähe des Holocaust-Denkmals könne nicht geduldet werden, weil damit ein heiliger Ort für die Toten gestört werde.Ein absurdes Argument, so die Roma-Familien. Sie wollten gerade hier protestieren, um ihr ermordetes Volk zu ehren und darauf aufmerksam zu machen, dass es heute wieder verarmt, isoliert, ausgegrenzt und ständig von staatlicher Willkür und Vertreibung bedroht wird. Während des Zweiten Weltkriegs ermordeten die Nazis eine halbe Million Angehörige der Roma und Sinti aus ganz Europa, fast einuneunzig Prozent.Das Datum der Aktion solle zudem an den Roma-Aufstand im Konzentrationslager Auschwitz vom 16. bis 23. Mai 1944 erinnern. Damals hatten sich Tausende Insassen des „Zigeunerlagers“ mit Steinen und Werkzeugen gegen die SS-Schergen zur Wehr gesetzt.WSWS-Reporter sprachen am Montag mit zwei Teilnehmern des Protests, die uns gebeten haben, ihren Namen wegen der drohenden Abschiebungen nicht zu nennen. Sie berichteten noch voller Erregung über den nächtlichen Polizeieinsatz.„Wir haben Respekt vor unserem ermordeten Volk“„Wir wurden aufgefordert, den Gedenkplatz zu verlassen“, sagte S., der schon länger in Deutschland lebt. „Es sei ein heiliger Ort für die Toten, und wir sollten Respekt vor den Toten zeigen. Wir haben vollen Respekt für unser ermordetes Volk! Eine halbe Million wurde auf bestialische Weise umgebracht. Für uns sind außerdem die Tage vom 16. bis 23. Mai Feiertag, und ich bin sehr traurig, dass ich auf der Gedenkstätte keine Blumen sehen kann. Wenn dieser Ort so heilig ist, dann sollen sie auch etwas tun. Keine Blumen – keine Aufmerksamkeit, so sehe ich das!“Über das Verhalten offizieller Vertreter des Berliner Senats und des Bundestags, einschließlich der Oppositionsparteien, zeigte sich enttäuscht. Auch der Grünen-Politiker Volker Beck und der innenpolitische Sprecher der Linken im Senat Hakan Tas hätten lediglich versucht, die Roma zur Beendigung ihrer Aktion zu drängen, ebenso der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und Roman Franz vom Landesverband NRW, die sie telefonisch zur Aufgabe bewegen wollten.„Alle, die von der Verwaltung und den Parteien da waren, wollten uns nur zureden, dass wir hier gehen sollten. Und am Ende haben sie der Räumung zugeschaut. Es gab keine Partei oder Initiative, die hinter uns gestanden und gesagt hätte: ‚Wir bleiben mit euch hier‘. Nur die Helfer standen zu uns, die zu keiner Organisation gehörten.“Romaprotest am MahnmalAm Nachmittag wurde der Zugang zum Gedenkort abgeriegelt, der Zugang zu den Toiletten abgeschnitten. Essen und Trinken erhielten die Roma nur dank einiger Unterstützer. „Die Lage war irgendwie sonderlich. … Wir hatten eigentlich gerade gedacht, dass der Menschenverstand gewonnen hat, und wir dürften die Nacht hier verbringen und am nächsten Morgen alles in Ruhe regeln.“ Doch plötzlich habe sich die Situation geändert, und gegen Mitternacht wurde mit der Räumung begonnen.„Sie haben vor allem versucht, die Männer auseinanderzutreiben. Meinen Bruder haben sie geschlagen, auf die Nieren. Er hat immer noch Schmerzen und auch einen verletzten Fuß. Meine Nichte wurde von einem jungen Polizisten an den Handgelenken brutal gezerrt und ihre Hände verdreht. Mein 14-jähriger Neffe wurde festgenommen und in einen Polizeiwagen gezerrt.“ Als er ihn mit seinem 7-jährigen Neffen unter dem Arm und Koffer und Laptop an der Hand holen wollte, handelte er sich selbst eine Anzeige wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ ein.In dem Gerangel hätten die Kinder geweint und geschrien. Eine Frau erlitt einen epileptischen Anfall. „Sie und ihr Mann haben sich vor Verzweiflung in den Brunnen des Mahnmals geworfen. Sie sehen keinen Ausweg mehr, sie haben schon den Abschiebebefehl erhalten. … Unser Volk hat keine guten Erfahrungen mit der Polizei, und das wiederholte sich gestern erneut“, resümierte S. „Wir Roma sind Staatenlose. Wir werden manchmal für eine Weile geduldet und dann überall wieder abgeschoben. Wir sind überall Ausländer.“„Auf dem Balkan gehen unsere Kinder auf die Müllhalden statt in die Schule“S. schilderte der WSWS die verzweifelte Situation für Balkanflüchtlinge, die in ihrer großen Mehrheit der Minderheit der Roma angehören. „In den 50er Jahren hat die Bundesregierung versprochen, Sinti und Roma in Deutschland als Bürger anzuerkennen unduns ein dauerhaftes Bleiberecht und eine Lebensperspektive zu geben. Damit sollte das Unrecht des Faschismus gegen unser Volk anerkannt werden. Doch das Versprechen der Bundesregierung wurde bis heute nicht eingelöst.“Seit die Balkanroute komplett gesperrt ist, kommen kaum noch Roma nach Deutschland. Sie werden in Sonderlagern in den osteuropäischen Staaten festgehalten, bis ihr Asylantrag nach zwei bis drei Wochen abgelehnt ist, und sofort zurückgewiesen. „Die Familien, die jetzt von Deutschland abgeschoben werden, leben hier teilweise schon über 20 Jahre, haben hier ihre Kinder hochgezogen. Die Kinder haben die deutsche Sprache erlernt und besuchen die Schule. Sie können die Sprache der Gadze nicht sprechen. … Wenn sie abgeschoben werden, ist die Bildung für sie vorbei. Und ein Volk ohne Bildung ist kein Volk.“In den Balkanländern seien die Roma isoliert und hätten keine Möglichkeit, die Kinder in die Schule zu schicken. Neunzig Prozent der Erwachsenen könnten nicht lesen und schreiben, müssten täglich ums Überleben kämpfen, und auch die Kinder müssten arbeiten. „Kaum ist ein Kind groß genug, um ein kleines Papier aufzuheben, schon muss es mitarbeiten. Sie gehen auf die Müllhalden statt in die Schule. … Das ist eines unserer wichtigsten Gründe für diese Kundgebung: Wir versuchen, unseren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.“Erst im vergangenen Monat, am 8. April, fand die Gedenkveranstaltung zum ROMA DAY am Berliner Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma statt. Bundespräsident Joachim Gauck, die Bundestagsvizepräsidentinnen Petra Pau (Die Linke) und Claudia Roth (Grüne), Uwe Neumärker von der Stiftung Denkmal und weitere prominente Politiker bekundeten hier ihre Solidarität mit den Roma und Sinti.Die Abschiebepolitik und der Einsatz des Polizeistiefels in Berlin gegen einen friedlichen Roma-Protest am selben Ort zeigen, was von solchen Worten zu halten ist.

Roma-Protest gegen Abschiebung:Räumung nach Mitternacht

Dutzende Roma haben in Berlin das Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma besetzt. Sie demonstrieren gegen ihre Abschiebung.

Roma demonstrieren am Denkmal ihren Widerstand gegen AbschiebungenFoto: Allegra Schneider

50 Roma haben das Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti besetzt, um gegen drohende Abschiebungen zu demonstrieren. Darunter waren viele Kinder. Die Polizei ließ trotzdem räumen – nach Mitternacht.

„Ich habe nichts zu verlieren“, sagt Sergio. „Ich habe meinen Abschiebebescheid vor ein paar Monaten erhalten. Sie können jederzeit kommen. Was wird dann aus meinen Kindern?“ Aus Angst vor der Abschiebebehörde will Sergio seinen Nachnamen lieber nicht nennen. Er will trotzdem nichts unversucht lassen, um hier zu bleiben. „Es ist viel zu selten, dass Roma sich politisch äußern“, sagt der 40-Jährige. Um das zu ändern, ist er zusammen mit seiner Frau und seinen vier Kindern nach Berlin gefahren.

Sergio ist einer von circa 50 Roma, die sich am Sonntagnachmittag am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma versammelten, um gegen ihre drohenden oder bereits verhängten Abschiebungen zu demonstrieren. Sie entrollen Transparente und kampieren auf dem Gelände des Denkmals. Ihre Forderung: „Bleiberecht für alle“.

Lokale AktivistInnen und organisierte Roma-Verbände unterstützen die Familien. Nach der verschärften Asylgesetzgebung droht vielen von ihnen die baldige Abschiebung in ihre vermeintlich „sicheren Herkunftsländer“ auf dem Balkan. Sie positionieren sich um den Brunnen in der Mitte des Denkmals. Als sie ihre Transparente entrollen, applaudieren die umstehenden Touristen, die mit Selfie-Stick durch das Regierungsviertel flanieren.

Musik am Gedenkort

Die Roma haben den Ort ihres Protestes mit Bedacht gewählt. Durch die Besetzung des Denkmals wollen sie an Deutschlands Verantwortung für die gewaltsame Ermordung ihrer Vorfahren appellieren. „Dieser Platz ist für uns sehr wichtig. 500.000 wurden im Porajmos ermordet“, so ein Sprecher der Demonstranten. „Es ist Zeit, dass Deutschland sich uns gegenüber solidarisch zeigt. Dieses Versprechen gibt es seit den Fünfzigern. Wir haben ein Recht zu bleiben. Und an diesem Ort zu demonstrieren“, sagt er weiter.

Die Polizei sieht das anders. Der Sicherheitsdienst am Denkmal hatte sie binnen Minuten alarmiert. In Verhandlung mit den Roma sagt ein Polizist: „Der Ort ist Gedenkstätte und befriedeter Bezirk.“ Deswegen drängt der Beamte darauf, den Protest außerhalb der Bannmeile um das Regierungsviertel zu verlagern: „Dort können sie solange bleiben, bis sie ihr Anliegen durchgebracht haben.“

Die Roma denken gar nicht daran, ihren Gedenkort zu räumen: „Es ist die größte Diskriminierung überhaupt, dass man uns von diesem Ort vertreiben will.“ Über fest installierte Lautsprecher läuft das eigens für den Gedenkort komponierte Violinenstück Mare Manuschenge von Romeo Franz. Es klingt wie die musikalische Umsetzung eines Tinnitus. Auf den Pflastersteinen um den Brunnen steht Neuengamme, Buchenwald, Auschwitz.

Die organisierten Roma hatten gehofft, dass bundesweit deutlich mehr Roma zu dem Protest kommen würden. „Viele haben Angst, dass sie erst recht abgeschoben werden, wenn sie demonstrieren oder sich über ihre Lage beschweren“, sagt Sergio.

Er hat einen serbischen Pass, war aber seit zwanzig Jahren nicht mehr da. Nachdem er das Land verlassen hatte, weil ihm Verfolgung und Diskriminierung drohten, lebte er in Bosnien, wo er auch seine jetzige Frau kennenlernte. Seine Frau und er verkauften Kleidung auf Flohmärkten und verdienten gar nicht so schlecht, wie er sagt.

Der Hass der Bosnier

Genau das triggerte den Hass der Bosnier. Immer wieder beschlagnahmten Polizisten die Kleidung, verfolgten und schlugen ihn und seine Frau. Er erzählt, dass seine Frau einmal auf der Flucht von einem Polizisten eine Treppe hinunter geschubst wurde. Sie war im vierten Monat schwanger. Nach dem Sturz musste sie ins Krankenhaus. Sie verloren das Baby. Daraufhin gingen sie nach Frankreich.

Und, als sie dort nicht mehr willkommen waren, gingen sie schließlich nach Deutschland. Seine Kinder haben als Ausweisdokumente nur ihre Geburtsurkunden. Sie haben weder einen serbischen noch einen bosnischen Pass. Diskriminierung und Ausgrenzung droht ihnen in beiden Ländern. Sergio hat Angst. Um seine Kinder und um seine Frau. Ihre beiden jüngsten Söhne sind vier Jahre alt, Zwillinge. Nach langer Suche haben sie endlich einen Platz in der Kita gefunden. Der ältere Bruder der beiden, knapp acht Jahre alt, geht in Deutschland zur Schule. Werden die Kinder mit Sergio nach Serbien abgeschoben oder mit ihrer Mutter nach Bosnien? Er weiß es nicht.

Nach einigen Stunden haben die Polizisten einen Vertreter der Stiftung des Denkmals aufgetrieben. Auch er sagt, dass der Ort des Protestes nicht geeignet sei. Die Roma weigern sich dennoch, den Ort zu verlassen. Es heißt, dass die Besetzer über Nacht bleiben dürfen. Doch die Lage ist nur scheinbar entspannt.

Denn kurz nach Mitternacht folgt die Räumung. Auf Druck der Stiftung des Denkmals, wie es von Seiten der AktivistInnen heißt. Eine Hundertschaft Polizisten in Demonstrationsausrüstung vertreibt die Roma. Auf Anordnung des Bundestagspräsidenten, wie ein anwesender Fotograf berichtet.

Eine halbe Stunde später ist das Gelände von behelmten Polizisten besetzt, die die Transparente abhängen. Zu der bedrückenden Geigenmusik stellt sich nun auch noch das Weinen der Kinder ein.

Chaotischer Ablauf

Die Räumung verläuft chaotisch. Die Polizei nimmt einen 14-jährigen Sohn eines Roma und einen Aktivisten in Gewahrsam. Panik bricht aus. Schon zuvor hatte eine Frau einen epileptischen Anfall bekommen, sich aber im Anschluss an die ärztliche Versorgung vor Ort geweigert ins Krankenhaus zu gehen – aus Angst vor Abschiebung.

Gegen circa ein Uhr ist der Bereich um das Mahnmal abgesperrt. Das Denkmal ist normalerweise Tag und Nacht zugänglich. Die Polizei teilt mit, dass sie drei Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet habe.

Einer der Roma sagt nach der Räumung: „Es gibt keinen Ort für Roma. Wenn dieses Denkmal nicht der Ort ist, wo wir etwas sagen können, wo dann?“ Der Hilfe von AktivistInnen ist es zu verdanken, dass die Roma samt ihrer Kinder nach der Räumung nicht auf der Straße schlafen müssen. Für die Nacht kommen sie in einem linken Hausprojekt unter. Sergio und seine Kinder sind noch in der Nacht abgereist. Sie haben Angst vor der Polizei.

Räumung des besetzten Holocaust-Denkmals

Mai 24th, 2016  |  Published in Geschichte & GedenkenPolitikRassismus & Menschenrechte  |  5 Comments

Mahnmal in Berlin (Foto: Fabio Reinhardt)

Stellungnahme der Stiftung Denkmal für die er­mor­de­ten Juden Europas:

Berlin – Besetzung des Denkmals für die im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus er­­mor­de­ten Sinti und Roma Euro­pas aus Pro­test ge­gen dro­hen­de Ab­schiebung

Am Sonntag, den 22. Mai 2016, besetzten ab 16.30 Uhr bis zu 70 Per­so­nen das Denk­mal für die im National­sozia­lis­mus er­mor­de­ten Sinti und Roma Euro­pas, um ge­gen die Ab­schie­bung von Roma aus Deutsch­land in ihre als »sicher« gel­ten­den Her­kunfts­länder zu de­monstrie­ren. An­ge­hö­ri­ge der Min­der­heit sind ins­be­son­dere auf dem Balkan mas­si­ver Aus­gren­zung und Gewalt aus­ge­setzt. Unter den De­monstran­ten wa­ren et­li­che Roma­familien mit Kindern, die seit lan­gem in Deutsch­land leben und denen un­mit­tel­bar die Ab­schie­bung droht. Die Veranstaltung war polizeilich nicht genehmigt. Auch die Stif­tung Denk­mal für die er­mor­de­ten Juden Euro­pas, die das Denk­mal be­treut, war nicht in­for­miert.

Mehr als sechs Stunden verhandelten die Stiftung und An­ge­hö­rige der Minder­heit, die Polizei und Poli­tiker mit den Be­setzern. Zu­gleich be­müh­ten sich wei­tere Ver­tre­ter der Sinti und Roma aus ganz Deutsch­land – darun­ter Romani Rose, Vor­sitzen­der des Zentral­rats Deut­scher Sinti und Roma – in zahl­rei­chen Tele­fo­na­ten mit den Spre­chern der De­monstran­ten um Ver­mitt­lung. Schließ­lich wa­ren diese al­ler­dings nicht bereit, das Denk­mals­ge­län­de zu ver­las­sen. Vor­schlä­ge sei­tens der Polizei zu alter­na­ti­ven Ver­samm­lungs­orten in un­mit­tel­barer Nähe wur­den ab­ge­lehnt.

Vor allem weil unter den Teilnehmern Säuglinge und Kinder sowie kranke Frauen wa­ren, ent­schied die Stiftung ge­gen 24 Uhr in Rück­sprache mit Prof. Dr. Norbert Lammert, Bun­des­tags­prä­sident und Vor­sitzen­der des Kura­to­riums der Stiftung, die Besetzung durch die Po­li­zei be­en­den zu las­sen. Le­dig­lich eini­ge männ­liche De­monstran­ten leis­te­ten Wider­stand. Gegen 0.45 Uhr hiel­ten sich keine Per­so­nen mehr im Denkmal auf. An­zei­gen wegen Haus­friedens­bruchs wur­den be­wusst nicht er­stattet.

Die Stiftung zeigt sich solidarisch mit den Betroffe­nen und kri­ti­siert die gän­gige Ab­schiebe­praxis. Des­halb hat sie unter ande­rem das Bünd­nis für Soli­darität mit den Sinti und Roma Europas ini­ti­iert. Das Denk­mal für die im Natio­nal­sozia­lis­mus er­mor­de­ten Sinti und Roma Euro­pas ist ein Ort des Ge­den­kens an die bis zu 500.000 Opfer des Völ­ker­mordes und kein Platz für poli­ti­schen Protest. Dies wider­spricht der Würde des Ortes und ist ins­beson­dere auf Wunsch des Zentral­rats Deut­scher Sinti und Roma Deutsch­lands in der Be­sucher­ord­nung des Denkmals fest­ge­halten.

(Text: Pressemitteilung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, 23.5.2016)

Anm. d. Red.: Die Stiftung entschied sich für ein polizeiliches Vorgehen gegen die Be­setzer. Folgt man den Aus­füh­run­gen der Presse­aus­sen­dung han­delte es sich also um eine Räumung aus huma­ni­tä­ren Gründen (aus Rück­sicht auf „Säug­linge und Kinder sowie kran­ke Frauen“) und um der Würde des Ortes zu ent­spre­chen. Die Bilder von der gewaltsamen Räumung je­doch zeich­nen ein weni­ger „huma­ni­tä­res“ Bild. Laut Mitteilung der Polizei wur­den zu­dem nach der Denkmal-Be­setzung drei Straf­anzeigen wegen Haus­friedens­bruchs sowie we­gen Wider­stan­des gegen Voll­streckungs­beamte ein­ge­leitet.

PM Deutsche Polizeistiefel auf Holocaust Denkmal.

Bleiberechtsaktion am Denkmal der in Europa unter den Nationalsozialisten ermordeten Roma und Sinti.

Am 22.05.2016 besetzten ca. 70-90 von der Abschiebung bedrohte Roma das Denkmal der in Europa unter den Nationalsozialisten ermordeten Roma und Sinti. Bei der Mehrzahl handelte es sich um Kinder. Die Aktion war entgegen anderweitiger Meldungen komplett friedlich.. Der Vorwurf, dass die Aktion nicht angemeldet war, ist lachhaft, denn diese Aktion wäre nie genehmigt worden. Gegen Mitternacht wurde das Mahnmal durch eine Hundertschaft Polizisten gegen den Willen der besetzenden Roma geräumt.

Es wurden keine Personendaten der Besetzer erfasst. Es wurden keine Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs gestellt, jedoch vereinzelt wegen „Widerstands die gegen Staatsgewalt“.

Als Bannbruch stellt sich für mich der Einsatz von Polizisten dar, die gegen die Besetzer auf der Gedenkstätte vorgingen. Hierbei sei erwähnt, dass Polizisten, die während der NS-Zeit für das „verbringen“ von Roma und Sinti in die Arbeits- und Vernichtungslager zuständig waren, willige Gehilfen wurden. Nach dem Krieg waren diese Beamten weiter tätig. Erst 1982 wurde der Völkermord an den Roma und Sinti durch Helmut Schmidt, als Bundeskanzler, als solches durch einen Nachkriegspolitiker genannt.

Anstatt sich zu empören, verurteilen viele diese Aktion. Warum? Das Denkmal ist für die in ganz Europa ermordeten Roma und Sinti. Nicht nur für „deutsche“ Sinti.

Natürlich ist es ein legitimes Anliegen, gegen die antiziganistische Regelungen des Asylpaket I (sichere Herkunftsstaaten West-Balkan) an dem Denkmal für den Völkermord an unserem Volk zu protestieren und auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Nach Jahrzehnten auf Duldung (Aussetzung der Abschiebung) werden integrierte Roma ins Elend deportiert.

Die politischen Bekenntnisse zur Eröffnung des Mahnmals sind nichts als Worthülsen, Deutschland schützt keine Roma, Deutschland desintegriert die Balkan-Roma um Rechte und antiziganistische Klientel zu bedienen und verweigert sich seiner historischen Verantwortung der Roma gegenüber.

Dieser Ort gehört genauso, deutschen Sinti wie auch Roma aus dem Balkan und dem Rest Europas. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Jugoslawische Konzentrationslager Jasenovac verweisen, in welchen zehntausende Roma den Tod fanden. Deren Nachkommen suchen heute Schutz in Deutschland und dieses zurecht. Wie die Juden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Deutschland Zuflucht fanden, so sollte den Roma aus einem Zerkriegtem Jugoslawien, Zuflucht in Deutschland gewährt werden.

Marko D. Knudsen

Vorsitzender

Europäisches Zentrum für Antiziganismusforschung EZAF…

www.EZAF.org