SOS Racisme testete französische Gemeindeämter. Tausende Roma-Kinder ohne Zugang zum Schulsystem.
Jede fünfte Gemeinde in Frankreich verweigert Roma-Kindern den Schulbesuch. Das ist das Ergebnis eines Experiments, das die französischen Menschenrechts-NGO SOS Racisme im Vorjahr durchführte. Mitarbeiter der Organisation hatten stichprobenartig bei zwanzig Gemeindeämtern angerufen und sich als Eltern eines Mädchens aus einer Roma-Behelfssiedlung ausgegeben, das in die örtliche Schule eingeschrieben werden soll. Man gab an, sich zu diesem Zweck über die nötigen Unterlagen erkundigen zu wollen.
Nur in acht der zwanzig kontaktierten Kommunen gaben die für Schulfragen zuständigen Gemeindemitarbeiter am Telefon korrekt Auskunft über die Möglichkeiten der Einschulung auch ohne amtliche Meldeadresse. Vier Gemeinden teilten den Anrufern jedoch mit, dass eine Einschulung des Mädchens ausgeschlossen sei, weil die Bewohner der Roma-Siedlung keine gültige Meldepapiere vorweisen könnten. Für SOS Racisme ein klarer Fall von Diskriminierung, gilt doch für alle in Frankreich lebenden Kinder von sechs bis sechzehn Jahren die gesetzliche Schulpflicht, und zwar unabhängig vom Vorliegen einer regulären Meldebescheinigung.
Acht weitere Gemeinden vertrösteten die Anrufer auf einen späteren Zeitpunkt. Die Angelegenheit müsse bei einer persönlichen Vorsprache im Gemeindeamt behandelt werden, man werde dann „sehen, was man tun kann“. In diesen Fällen könne, so SOS Racisme, eine spätere diskriminierende Falschauskunft bzw. eine rechtswidrige Abweisung des Mädchens, nicht ausgeschlossen werden. Die NGO hat daher eine weitere Testphase angekündigt, um herauszufinden, welche Auskünfte den vermeintlichen Roma-Eltern beim persönlichen Besuch im Amt erteilt werden.
Insgesamt leben laut Unicef rund 9.000 Kinder und Jugendliche in Frankreich in Bidonvilles. Laut einer Umfrage des „Kollektivs für das Recht der Roma-Kinder auf Bildung“ (Collectif pour le droit des enfants roms à l’éducation, CDERE), im Herbst 2016 vorgestellt wurde, besuchen 67 Prozent der jugendlichen Roma, die in Behelfsunterkünften bzw. in Bidonvilles leben, keine Schule. Bei den anderen Jugendlichen derselben Altersgruppe (12 bis 18 Jahre) sind es nur 7 Prozent.
(dROMa)