Die Mazedonierin ist Romni und wollte ihre Schwester in Deutschland besuchenAdelheid Wölfl
„Ich habe mich noch niemals in meinem Leben so gedemütigt gefühlt“, sagte Emra Kurtischova, nachdem sie von einem Beamten am Flughafen in Skopje trotz gültigen Flugtickets und biometrischen, also schengentauglichen Passes wieder heimgeschickt worden war, berichtet die Plattform Balkan Insight. Kurtischova glaubt, dass sie nicht in die EU fliegen durfte, weil sie eine Romni ist.
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Die Schauspielerin wollte am 19. Juni nach Deutschland fliegen, um ihre Schwester, die in Konstanz lebt und während ihrer schwierigen Schwangerschaft Hilfe braucht, zu unterstützen. Das Retourticket war für zwei Monate danach ausgestellt.
Nicht genügend Geld dabei
Doch am Flughafen in Skopje wurde Kurtischova von dem Beamten nicht zum Flug durchgelassen. Die Begründung: Die Schauspielerin habe nicht ausreichend Geld für ihren Aufenthalt in Deutschland bei sich. Kurtischova hatte 500 Euro und eine Bestätigung bei sich, wonach ihre Schwester in Konstanz für ihren Aufenthalt aufkommen werde. Laut Balkan Insight soll sich auf dem Schreiben auch ein Stempel der Stadt Konstanz befinden. Kurtischovas Flugticket wurde jedoch storniert, und sie musste ihr Gepäck zurücknehmen und umkehren. „Warum habe ich überhaupt einen Reisepass, wenn ich nicht ins Ausland reisen darf?“, fragte Kurtischova laut Balkan Insight.
Die mazedonische Polizeiministerin Gordana Jankuloska wies gegenüber Balkan Insight jegliche Diskriminierungsvorwürfe zurück. Kurtischova sei an der Reise gehindert worden, weil sie nicht ausreichend Geld bei sich gehabt hätte. Im Fall von Deutschland müssten Reisende demnach 43 Euro pro Tag zur Verfügung haben.
Druck auf Balkanstaaten
Mazedonier, Serben und Montenegriner können seit 2009 ohne Visa in die Schengenzone reisen. Seit aber die Asylanträge von Mazedoniern und Serben (vor allem im Winter) in den vergangenen Jahren in einigen EU-Staaten (etwa in Deutschland, Belgien, Schweden und Frankreich) gestiegen sind, haben diese Staaten begonnen, Druck auf die Balkanstaaten auszuüben, damit diese die Asylanträge verhindern, und haben sogar mit einer Aufhebung der Visafreiheit gedroht. Seitdem gibt es immer wieder Berichte, dass Roma (etwa in Mazedonien) daran gehindert werden, in EU-Staaten zu reisen. In Österreich suchen die Südosteuropäer meist nicht um Asyl an, weil die Verfahren und somit die Aufenthaltsdauer viel kürzer sind als etwa in Deutschland.about:blank
Stempel in Pässen von Roma
Der Südosteuropaexperte der Universität Graz, Robert Pichler, hat den Umgang mit den Roma genauer erforscht und einen mazedonischen Pass fotografiert, in den Grenzbeamte bestimmte Kennzeichen machten. „Am Stempel erkennt man die Striche, die die Grenzbeamten den Romapässen verpassen, um sie zu stigmatisieren. Mit diesem Zeichen im Pass können sie das Land nicht mehr verlassen“, so Pichler zum STANDARD.
Der mazedonische Ombudsmann berichtet in seinem jüngsten Bericht über 15 Fälle, bei denen es um ethnische Diskriminierung geht. In acht Fällen haben die Behörden die Vorschläge des Ombudsmanns wegen ethnischer Diskriminierung akzeptiert. Typisch seien Beschwerden, wonach Bürgern „der Roma-Gemeinschaft nicht erlaubt wurde, die Staatsgrenzen zu übertreten“, so der Bericht des Ombudsmann für das Jahr 2013. Der Ombudsmann forderte in diesen Fällen Informationen der Grenzpolizei an und wies auf das Diskriminierungsverbot und das Verbot der Beschränkung der Bewegungsfreiheit hin.
Generell wird in jüngster Zeit darauf geachtet, dass Reisende aus Südosteuropa „genügend“ Geld bei sich haben. Wenn man etwa mit dem Bus aus Südosteuropa Richtung EU-Europa fährt, kommt es vor, dass der Buschauffeur die Aufgabe übernimmt, zu überprüfen, wie viel Geld man bei sich hat und ob es zulässig ist, in die Schengenzone zu reisen.
Beschwerde wegen Diskriminierung
Auf Anfrage des STANDARD meinte Kurtischova, sie habe zurzeit nichts Weiteres zu sagen. Die 28-jährige Schauspielerin überlegt, ob sie wegen Diskriminierung eine Beschwerde einreicht, und will sich an den Ombudsmann wenden. Abgesehen davon möchte sie eine Rückerstattung für ihr Flugticket, sagte sie zu Balkan Insight. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 24.6.2014)
Quelle: https://www.derstandard.at/