„Weil ich eine Verwandtschaft mit dem Volk der Roma fühle“ Indira Ghandi Ansprache von Indiens Premierministerin Indira Gandhi am 29.Oktober 1983 anlässlich der Eröffnung des 2. Internationalen Roma-Festivals in Chandigarh (im englischen Originalwortlaut abgedruckt n: Roma, Vol 8, 1984)Herr Gouverneur, Herr Sait Balić, Herr Rishi, geschätzte Gäste und meine Roma-Freunde! Ich begrüße das Volk der Roma in „Baro Than“. Warum bin ich hier? Weil ich eine Verwandtschaft mit dem Volk der Roma fühle. Immer habe ich ihre Abenteuerlust, ihre Verbundenheit mit der Natur und vor allem ihre Stärke und ihre Widerstandskraft bewundert. Bedeutende Roma aus verschiedenen Ländern sind hier heute unter uns, und dadurch wird das Festival dazu beitragen, die bereits tief verwurzelten Beziehungen zwischen den Roma und den Menschen in Indien weiter zu stärken. Die Geschichte der Roma ist eine Geschichte der Trauer und des Leids. Aber sie ist auch eine des Triumphs des menschlichen Geistes über alle Widrigkeiten. Die Verfolgung, welche die Roma seit fast Tausend Jahren so tapfer ertragen haben, macht sie zu einem Beispiel für Mut und Durchhaltevermögen. Und diese Eigenschaften sind verknüpf tmit Indien, das sie als ihre ursprüngliche Heimat ansehen. Die Roma der Gegenwart bewahren ihre Identität und haben sie tatsächlich wieder aufleben lassen. Doch zugleich haben sie sich auch in die Gesellschaften, in denen sie heute leben, eingefügt und sind zu einem wertvollen Bestandteil der Länder geworden, denen sie nun angehören und die sie bereichern – mit Farbigkeit, Spontaneität und Lebensfreude. In den verschiedenen Ländern nennt man sie mit verschiedenen Namen. Sie sind eine internationale Gemeinschaft im wahrsten Sinn und daher geradezu ideal geeignet, dazu beizutragen, Verständniszwischen den Nationen und Frieden auf der Welt zu schaffen. Die Roma sind sich nach dem 1. Romani-Weltkongress in London1971 zunehmend ihrer besonderen Identität und ihrer besonderen Rolle bewusst geworden. Musik ist in großem Maß ein Teil ihres Lebens und sie hatten Anteil an der Entwicklung musikalischer Traditionen von Ost und West. Aber die Talente der Roma sind vielfältig: Sie durch dringen alle Facetten des Lebens. Lange Jahre haben Vorurteile und Verfolgung den Blick auf ihre Kultur vernebelt und sie konnte nicht die Anerkennung und den Respekt erfahren, die ihr gebühren. Doch jetzt wird ihre Qualität gerühmt – zum Nutzen der Welt. Das Multilingual Romani Dictionary (W. R. Rishi, 1974) hat der Kodifizierung der Sprache der Roma den Boden bereitet. Die (in Chandigarh erscheinende) Halbjahresschrift Roma war gleichfalls hilfreich, in anderen Gemeinschaften das Bewusstsein für diese Kultur wachzurütteln. Es ist daher sehr passend, dass der Kongress hier seinen Platz gefunden hat, denn das Volk der Roma spürt eine Nähe zum Punjab.Die Roma-Kultur hat Merkmale vieler Länder und Völker in sich aufgenommen und sie bewahrt Erinnerungen an Elemente der indischen Zivilisation. Dieser Internationalismus hat einen besonderen Wert in unserer Zeit. Indien hat ebenso die Schmach der Knechtschaft und die unzähligen Übel erlitten, die damit einhergehen, aber jetzt ist es unabhängig und lebt wieder auf. Sein riesiger Schatz uralter Weisheit steht der Welt offen, ein Stück des gemeinsamen Erbes der Menschheit. Die Roma repräsentieren einen Teil dieses Reichtums. Die Menschen in Indien unterstützen die Roma in ihrem Bestreben, die Kultur der Menschheit zu bereichern. Ihr Beispiel ist das eines Nationalismus innerhalb des Internationalismus, jenseits von Vorurteilen, wo man mit offenem Herzen alle Menschen als eine große Familie ansieht. Meine besten Wünsche für Ihr Festival und Ihren Aufenthalt in Indien! Upre Roma! Roma Zindabad! Sastipe!“

Indira Ghandi

Quelle http://www.roma-service.at/