Antiziganismus auf der Tagesordnung der EU High Level Group zur Be­kämpfung von Rassis­mus, Frem­den­feind­lich­keit und an­deren For­men von Into­le­ranz

Die EU High Level Group zur Bekämpfung von Rassis­mus, Fremden­feind­lich­keit und an­deren Formen von Intoleranz, bei der Ver­tre­ter/innen der EU-Mit­glied­staaten und Ver­tre­ter/innen der Zivil­gesell­schaft zu­sammen­kom­men, legte bei ihrem 4. Tref­fen am 5. De­zem­ber 2017 be­son­deres Augen­merk auf das Phä­no­men Anti­ziga­nis­mus.

Vera Jourova, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleich­stel­lungs­fragen, brachte in ihrer Eröff­nungs­rede ihre tiefe Be­sorg­nis über die weit­verbrei­tete sozia­le Akzep­tanz von Antiziganismus zum Aus­druck. Als ak­tuel­les Beispiel nannte sie einen Fall von Hass­reden und Mord­dro­hun­gen gegen einen tsche­chi­schen Roma-Sänger, Gypsy.cz, der vom na­tio­na­len Gericht mit nur 4 Euro Strafe ge­ahndet wurde. Gerichts­urteile wie diese sen­den eine fatale Bot­schaft in die Gesell­schaft, wenn es darum geht, Anti­zigani­smus zu bekämpfen.

MdEP Soraya Post (S&D Fraktion) betonte die Notwendig­keit, die Haupt­ursache für Dis­krimi­nie­rung und Hass gegen Roma – den Anti­ziganismus – zu be­seitigen, und rief alle Regie­rungen und Pflich­ten­trä­ger/innen dazu auf, Ver­ant­wor­tung für ihre Bür­ger/innen zu über­nehmen. Post warnte: „Europa steht erneut am Scheide­weg. Extre­mis­tische Parteien geraten immer häu­figer in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung, aus­länder­feind­li­che Stim­men werden immer lauter und bis­weilen von Regie­rungs­mit­gliedern toleriert.“

Jamen Gabriela Hrabanova, Direktorin des ERGO-Netzwerks, stellte in ihrem Beitrag das Referenz­papier Antiziganismus vor und wies darauf hin, dass es wich­tig sei, sich bei der Be­kämpfung von An­ti­ziga­nis­mus auf die Mehr­heits­gesell­schaft zu kon­zentrie­ren: „Es muss un­bedingt an­erkannt werden, dass Anti­ziganis­mus keine Min­der­heiten­ange­le­gen­heit ist.“ Es ist ein Phäno­men, das seinen Ur­sprung in der Mitte unserer Gesell­schaften hat und be­schreibt wie die soziale Mehr­heit die­jeni­gen betrach­tet und behan­delt, die sie als „Zigeuner“ mar­kiert. Um Anti­ziganismus wirk­sam zu be­kämpfen, muss sich unsere Auf­merk­sam­keit auf die rassistischen Denk- und Ver­haltens­wei­sen der Gesell­schaften verl­agern, wäh­rend den Stimmen der von Anti­ziganis­mus Betrof­fenen mehr Gehör ver­schafft wer­den muss.“

Die EU-Agentur für Grundrechte stellte im Kontext der Ver­anstal­tung die Ergeb­nisse der zweiten Studie zu Dis­kriminie­rung von und Hass gegen Min­der­heiten in der gesamten EU vor. Die Um­frage zeigt, dass Roma und Menschen afrika­nischer Herkunft in ganz Europa einem über­durch­schnitt­li­chen Maß an Diskriminierung und Hass aus­ge­setzt sind, das sie in allen Le­bens­berei­chen trifft, am stärks­ten jedoch bei der Arbeits­suche. Roma sind laut der Studie am häufigs­ten Opfer von Hass-mo­tivierter Be­lästi­gung und Gewalt als auch ethni­scher Dis­krimi­nie­rung. Dabei kannten drei Viertel der Befrag­ten keine Orga­ni­sa­tion oder Anlauf­stelle, die Opfern von Diskri­mi­nie­rung und Gewalt Unter­stützung an­bietet und sind sich der ein­schlä­gi­gen Rechts­vors­chriften, die sie schützen, nicht be­wusst. Der Mangel an Ver­trauen, Wissen und Ressour­cen seitens der Betrof­fenen stellt auch wei­ter­hin einer Heraus­for­de­rung dar im Bereich der Mel­dung von Vor­fällen von Dis­krimi­nie­rung und Hass­gewalt. Laut der Studie haben die Mel­dungen von Hass-mo­ti­vier­ten Beläs­ti­gun­gen und Dis­krimi­nie­run­gen an rele­vante Stellen seit 2008 nicht zu­genom­men.

Die Umfrageergebnisse zeigen die erschreckenden Ausmaße von Dis­krimi­nie­rung und Hass gegen Roma in Europa. Wir for­dern die Euro­päi­sche Kom­mis­sion nach­drück­lich dazu auf, die Agentur für Grund­rechte damit zu be­auf­tra­gen, eine Studie über Anti­ziganis­mus in der EU und den Bei­tritts-Kan­di­daten­län­dern zu erstel­len und eine detail­lier­tere Analyse der EU-MIDIS-II-Studie durch­zu­führen, indem sie struk­turelle und insti­tu­tio­nell dis­krimi­nie­rende Prak­tiken und Po­li­tiken un­ter­sucht.

Das ERGO-Netzwerk fordert die EU-Mitgliedstaaten ge­mein­sam mit dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma und dem Euro­päi­schen Netz­werk gegen Rassis­mus auf, gezielte Maß­nahmen gegen Anti­ziganis­mus zu ergrei­fen. Diese sollten in die natio­nalen Stra­tegien zur Integra­tion der Roma und in die natio­nalen Aktions­pläne gegen Rassismus auf­genom­men werden. Auf­geschlüs­selte Daten über Hass­verbrechen gegen Roma und ihr Eigen­tum müssen ge­sammelt und Anti­ziganis­men als Ursache an­erkannt werden, damit die natio­nalen Be­hörden die Ent­wick­lun­gen von Hass­verbrechen gegen Roma analy­sieren und wirk­same Maß­nahmen ergreifen können. Opfer ras­sis­ti­scher Gewalt und Hass­rede müssen an­ge­mes­sene Unter­stützung erhalten und die Fälle anti­ziganis­tischer Gewalt und Hassrede do­ku­men­tiert und juris­tisch ver­folgt werden.

Die Empfeh­lun­gen der Al­lianz gegen Anti­ziganis­mus an die EU und die Mit­glieds­staaten sowie die EU-MIDIS-Studie fin­den sich hier.

(Text: Zentralrat)