Gleichgeschlechtliche Ehen akzeptiert man auf der grünen Insel. Aber nicht sesshafte Sinti und Roma sind den Meisten ein Graus.

DUBLIN taz | Das Mitgefühl währte nicht lange. Am Samstag vor knapp zwei Wochen sind bei einem Brand auf einem Wohnwagenplatz in Carrickmines bei Dublin zehn Menschen ums Leben gekommen, darunter fünf Kinder, das jüngste sechs Monate alt. Die Opfer gehörten allesamt der Großfamilie Connors an. Die ersten Beerdigungen fanden am gestrigen Dienstag statt.

Irlands Präsident Michael D. Higgins, der Dubliner Erzbischof Diarmuid Martin und sämtliche Minister kondolierten, die Bevölkerung kam mit Sachspenden und verwandelte den Ort der Tragödie in ein Blumenmeer. Die Stadtverwaltung versprach, sich um Notunterkünfte für die überlebenden 15 Familienmitglieder zu kümmern, und wählte dafür ein Feld am Ende einer Sackgasse ganz in der Nähe aus. Zwei Mobilheime und ein Waschraum sollten errichtet werden, um die Menschen dort für sechs Monate unterzubringen, bis die dauerhafte Unterkunft fertiggestellt ist.Anzeigehttps://27b80099e60cfa06835c12bf39e775be.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-37/html/container.html

Mit dem Mitleid war es aber schnell vorbei, denn vor der eigenen Haustür will man diese Menschen nicht haben. Seit einer Woche blockieren Anwohner mit ihren Autos die Zufahrt zum Feld, sodass die Bauarbeiten nicht beginnen können. Der Grund: Bei den Connors handelt es sich um Travellers, um Fahrende. In Irland sind 10.226 Traveller-Familien registriert, niemand will sie in seiner Nähe haben. Eine Umfrage der Irish Times unter 4.800 Lesern ergab, dass 72 Prozent den Anwohnern recht geben. Auch die Lokalpolitiker kümmern sich nicht um Travellers: Von den 31 irischen Bezirksverwaltungen hat knapp die Hälfte das Geld für Travellers-Halteplätze nicht in Anspruch genommen.

Wo immer ein Halteplatz geplant ist, hagelt es Einspruch der Anwohner, um den Bau zu verhindern oder zumindest so lange wie möglich zu verzögern. Die Gründe, die angeführt werden, sind angeblich antisoziales Verhalten, wilde Müllkippen, nächtliche Partys, Lagerfeuer und steigende Verbrechensraten.

Ganz wie im amerikanischen Süden

Die Travellers gehören dem internationalen Sinti-und-Roma-Verband an, aber sie sind Iren. Die Vorfahren vieler Travellers-Familien sind in Hungerzeiten von Haus und Hof vertrieben worden, weil sie die Pacht nicht zahlen konnten. Sie haben ihre eigene Sprache, das Shelta oder Cant. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen sie als Kesselflicker, Weber, Schneider, Schmiede durch das Land. Doch mit der Einführung landwirtschaftlicher Maschinen, Plastikwaren und Fertigtextilien waren ihre Dienste nicht mehr gefragt.

Die Lebenserwartung der Travellers liegt bei fünfzig Jahren, die Familien sind doppelt so groß und die Kindersterblichkeit ist dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt. Zu vielen Kneipen, Restaurants, Supermärkten oder Waschsalons haben Travellers keinen Zutritt. In den Schulen werden ihre Kinder in gesonderten Klassen unterrichtet. Drei Viertel der Bevölkerung würden kein Haus in der Nähe eines Halteplatzes kaufen.

Der Minister für Gleichstellung, Aodhán Ó Ríordáin, sagte, die Blockade der Einwohner in Carrickmines habe Ähnlichkeit mit den dunklen Zeiten in den USA. „Wir haben im Mai für die Gleichstellung der Homo-Ehe gestimmt“, sagte er, „und im Oktober kommt es zu einem Szenario, das mich an Alabama in den fünfziger Jahren erinnert.“

Quelle: taz